Was sind Essstörungen?
Bei einer Essstörung ist der Umgang mit dem Essen und oft das Verhältnis zum eigenen Körper gestört. Der Übergang von einem unauffälligen zu einem krankhaften Essverhalten passiert in der Regel schleichend.
Übergewicht bedeutet nicht gleich Essstörung
Bei starkem Übergewicht, der Adipositas, die als chronische Erkrankung gilt, handelt es sich genau genommen nicht um eine Essstörung, sondern definitionsgemäß um eine übermäßige Ansammlung von Fettgewebe im Körper. Es gibt Menschen mit Adipositas, die gleichzeitig eine Essstörung haben und Menschen mit Adipositas, die keine Essstörung haben.
Nicht von außen sichtbar
Der Stereotyp einer Essstörung ist für viele die junge stark untergewichtige Frau, die sehr wenig isst. Wichtig jedoch: Auch, wenn starkes Untergewicht mit einer Anorexie nervosa (Magersucht) in Zusammenhang stehen kann, ist eine Essstörung nicht an der äußeren Erscheinung zu erkennen – bei niemandem. Es gibt sehr schlanke Menschen, die keine Essstörung haben und Menschen mit Normal- oder Übergewicht, die unter einer Essstörung leiden.
Verschiedene Essstörungen im Überblick
Es gibt verschiedene Formen von Essstörungen. Diese können ineinander übergehen oder sich abwechseln. Es gibt auch Mischformen und nicht alle Essstörungen können direkt den hier aufgelisteten Formen zugeordnet werden.
Es können sowohl Männer als auch Frauen betroffen sein, sowohl Jungen als auch Mädchen. In der Jugend, vor allem in der Pubertät, ist das Risiko eine Essstörung zu entwickeln am höchsten, jedoch kann diese in jedem Alter entstehen.
Art der Essstörung | Merkmale | Wer ist betroffen? |
Anorexia nervosa, auch „Magersucht“ | – starker Gewichtsverlust oder anhaltendes Untergewicht – ständige Angst zuzunehmen – starke Kontrolle des Essens | Von 1.000 Mädchen und Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens durchschnittlich etwa 14 an einer Magersucht. Jungen und Männer sind deutlich seltener betroffen: Von 1.000 erkranken im Laufe ihres Lebens durchschnittlich etwa 2 an einer Magersucht. Am häufigsten tritt eine Magersucht im Alter zwischen 15 und 24 auf. |
Bulimia nervosa, auch „Ess-Brech-Sucht“ | – regelmäßige Essanfälle – unangemessene Gegenmittel wie Erbrechen, Abführmittel, exzessiver Sport | Von 1.000 Mädchen und Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 19 an einer Bulimie. Von 1.000 Jungen erkranken im Laufe ihres Lebens durchschnittlich etwa 6 an einer Bulimie. An Bulimie erkranken die meisten zwischen dem 16. und 19. Lebensjahr. |
Binge-Eating-Störung (engl. binge = Gelage) steht für exzessives, übermäßiges Essen | – Wiederholte Episoden von Essanfällen – Essen großer Nahrungsmengen, wenn man sich körperlich nicht hungrig fühlt – Deprimiertheit oder große Schuldgefühle nach dem übermäßigen Essen | Von 1.000 Mädchen und Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 28 an einer Binge-Eating-Störung. Von 1.000 Jungen und Männern erkranken im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 10 an einer Binge-Eating-Störung. Um das 20. Lebensjahr herum entsteht diese Form der Essstörung häufig. Außerdem entwickelt sie sich oft auch später, zwischen 45 und 54 Jahren. |
Ursachen von Essstörungen
Durch die sogenannte Body-Positivity- und Body-Acceptance-Bewegung, die dafür plädiert, jeden Körper so zu akzeptieren wie er ist, verändert sich derzeit glücklicherweise die Akzeptanz unterschiedlicher Körperformen. Das klassische Schönheitsideal des schlanken Körpers ist jedoch noch weit verbreitet und beeinflusst viele Menschen in der Wahrnehmung ihres Körpers und in ihrem Essverhalten.
Das geltende Schlankheitsideal ist jedoch nicht der alleinige Grund für die Entwicklung einer Essstörung. In der Regel spielen hier verschiedene Faktoren eine Rolle. Die oben genannten Faktoren können die Entstehung einer Essstörung begünstigen. Dem Beginn der Krankheit gehen oft belastende Ereignisse, wie beispielsweise ein Umzug in der Jugend, ein traumatisches Erlebnis, ein Schulwechsel, eine Trennung oder Verlust des Arbeitsplatzes voraus.
Mögliche auslösende Faktoren einer Essstörung:
- genetische Faktoren (Essstörungen in der Familie)
- krankmachende familiäre Strukturen, wie starke Konflikte, Suchtprobleme
- traumatische Erlebnisse (etwa sexueller Missbrauch)
- geringes Selbstwertgefühl
- hoher Perfektionismus
- anhaltender starker Stress
- Übergewicht in der Kindheit
Kann eine Essstörung von vielen Diäten kommen?
Ja, Diäten können der Beginn eines gestörten Essverhaltens sein – vor allem solche, die sehr einseitig sind, Verbote und strikte Regeln vorgeben. Auch der ständige Druck bei Übergewicht abnehmen zu wollen oder zu sollen, kann eine gesunde Beziehung zum Essen massiv stören. Daher ist es für Menschen mit Adipositas, die abnehmen wollen, sehr hilfreich, sich Unterstützung bei einer nachhaltigen, gesunden Ernährungsumstellung zu holen.
Was können Folgen einer Essstörung sein?
Die Folgen einer Essstörung können weitreichend sein. Je nach Ausmaß der Essstörung kann diese im schlimmsten Fall zum Tode führen. Neben psychischen und soziokulturellen Folgen können auch eine Reihe von körperlichen Folgeschäden auftreten.
Mögliche Folgen von Essstörungen:
- Depressionen
- Angststörungen
- Zwangserkrankungen
- soziale Isolation
- Arbeitsunfähigkeit, Abbruch von Schule, Studium etc.
- Amenorrhöe (Ausbleiben der Periode)
- erhöhter oder zu niedriger Blutdruck
- erhöhte Leberwerte, Fettleber
- Osteoporose
- Verdauungsstörungen, wie Verstopfungen
- Insulinresistenz und Diabetes Typ 2
Behandlung bei Essstörungen
Essstörungen sind ernsthafte Erkrankungen, die unbedingt behandelt werden müssen. Je eher die Essstörung erkannt wird und Betroffene Hilfe bekommen, desto höher die Aussicht auf Erfolg. Es gibt die Möglichkeit der ambulanten, teilstätionären und stationären Therapie.
1. Ambulante Therapie
Die ambulante Therapie wird in der Regel von mehreren Expert:innen durchgeführt: Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen und Ernährungstherapeut:innen. Jede:r davon kann eine erste Anlaufstelle sein. In der Regel sind es die Hausärzt:innen, mit denen du auch die einzelnen Therapieformen besprechen kannst.
2. Teilstätionäre Therapie
Das bedeutet, du wirst teilweise stationär aufgenommen, etwa in einer Tagesklinik, in der du tagsüber bist und die Nacht zu Hause verbringst. In Tageskliniken arbeiten verschiedene Therapeut:innen in Teams zusammen.
3. Stationäre Therapie
Eine stationäre Therapie erfolgt in einer psychosomatischen Rehaklinik, einer Klinik, die ausschließlich auf Essstörungen spezialisiert ist oder einem Krankenhaus. Bei den Kliniken gibt es oft Wartezeiten von drei bis sechs Monaten.
Weitere Informationen zur Behandlung findest du bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Behandlungsziele sind unter anderem:
- Normalisierung der Energie- und Nährstoffzufuhr
- vielfältige Lebensmittelauswahl, keine Verbote
- Angst vor bestimmten Lebensmitteln abbauen
- gesundes Verhältnis zum Essen entwickeln, Genuss wiederentdecken
- gesundes Körpergewicht
- Beziehung zum Körper/ Wahrnehmung des Körpers verbessern
- soziale Esskompetenz fördern
Hier gibt es Hilfe bei einer Essstörung
Der erste Schritt besteht darin, sich einzugestehen, eine Essstörung beziehungsweise ein gestörtes, belastendes Verhältnis zum Essen zu haben. Doch auch, wenn du noch Zweifel hast, ob tatsächlich eine Essstörung vorliegt, solltest du dich unbedingt beraten lassen. Es gibt verschiedene Anlaufstellen, um sich erste Hilfe zu holen.
- Hausärzt:innen
- Info-Telefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
- lokale Anlaufstellen, wie Waage e.v. in Hamburg; Tipp hier „Hilfe Essstörung + Heimatort/-Stadt“ bei Google eingeben
- Telefonseelsorge
- Bundesfachverband Essstörungen
Häufig gestellte Fragen
Wie wird eine Essstörung diagnostiziert?
Wenn du den Verdacht hast unter einer Essstörung zu leiden, kannst du dich an Hausärzt:innen oder andere Ärzt:innen deines Vertrauens wenden. Diese stellen dir Fragen zu deinem Essverhalten, bestimmten Essgewohnheiten, deinen Gedanken rund ums Essen, zu deinem psychischen Wohlbefinden und nehmen eventuell körperliche Untersuchungen vor.
So können sie eine erste Diagnose vornehmen. Wenn du dir eine sogenannte Notwendigkeitsbescheinigung mit der Diagnose Essstörung ausfüllen lässt, wird eine Ernährungstherapie von der Krankenkasse bezuschusst. Solltest du nicht mit Ärzt:innen über dein Essverhalten sprechen wollen, kannst du dich auch in die oben angegebenen Hilfestellen wenden.
Welche Form der Essstörung gibt es am häufigsten?
Die bekanntesten Essstörungen sind die Magersucht und die Bulimie. Jedoch ist die Binge-Eating-Störung, bei der unkontrolliert große Mengen auf einmal gegessen werden, die am weitesten verbreite. Fast ein Drittel der Frauen und etwa 10 Prozent der Männer entwickeln im Laufe Ihres Lebens eine Binge-Eating-Störung.
Tritt eine Essstörung mit anderen Erkrankungen auf?
Essstörungen treten häufig mit anderen körperlichen oder psychischen Erkrankungen auf, wie Depressionen, Angststörungen oder Medikamentenmissbrauch. Beim Binge-Eating entwickelt sich gleichzeitig häufig eine Adipositas und auch Bluthochdruck oder eine Insulinresistenz oder Diabetes Typ 2 können vorhanden sein.